Spaziergang mit Hölderlin
Es wäre fein so zu denken, zu schreiben
wie du, mein Freund mit der romantischen Seele,
Friedrich. Weisst di, einst sah ich den Herrn
des Himmels böse werden, sagst du mit rätselhafter
Meine, hängst dich bei mir ein, nicht damit ich
handle, damit ich klüger werde. Gütig
sind die Götter, doch es gibt nichts Verhassteres
als die Herrschaft des Betrügerischen für sie,
die Menschlichkeit starb in den Menschen nunmehr aus .
Wie sorglos die Toten sind, die sich ins
Nacht-Strahlen flüchten, denk ich,
schlurfen auf azurnen Gangen in Seiden-
pantoffeln, in stillem Entzücken und sagen Gedichte
von Aphrodite, Dionysos, Hera auf, und
ihre Seele schwimmt in Hexametern im himmlischen Fluss.
Oh, die Masse liebt nur das Marktgerechte, sagst du,
nur die Gewalt verehrt das Volk der Knechte,
und ans Göttliche glaubt nur derjenige, der selber
göttlich ist,
doch bleib nicht zu lange, weisst du, alle Engel
sind todkrank.
Morgens, zehn Uhr
er trinkt zündet sich eine an zahlt gehen wir
drinnen betrachtet sie die verklebten grauen
hosen des mannes du hurensohn
wimmert im cognac die
blonde frau weingeruch segelt
vom stuhl bis zum fenster voller spinnweben
passt du überhaupt auf wie
stein soll das gedicht sein im müll-
eimer wühlt der weisshaarige prophet
wie kalt du bist sagt er weisst du
mit träumte dass mein haar mir in die au-
gen hing doch ich hatte keine augen
wie stein soll das gedicht sein
er trinkt zahlt gehen wir von hier weg hier
ist jeder ein vokal a á a ó und
im cognac ringt ihre hande die blonde
frau du weisst nicht wie es ist ein kind
von fünf zentimetern zu töten im vogel-
laden irgendwo zwischen anfang und ende
picken wesen die luft schreibt er und
die verrückte alte ist glücklich öffnet
die tür einen spalt der schönste staub ist
der mensch die schönste asche der schönste rauch
er trinkt zündet sich an zahlt verbleiben wir so
Ginsber drüben
Allen was ist mit dir die gebeine aus
russland polen ungarn kuschelten sich
aneinander ihre besternten häupter geneigt
kamen die gebeine du legtest dich zu ihnen
und warst zärtlich du nahmst deine brille ab
und behängest ihre billardköpfe mit fleisch
du hast haare gestreichelt auf ihnen geschlechtsorganen
und sie waren daheim mit dir und du warst auch daheim
erinnere dich mein sohn an den flug der krösten erinnere dich
mein sohn daran dass wir nicht mehr sind
wie vielebilder sahen wir
wie viele bilder jedes gesicht hatte drei gesichter
wir holpern auf unseren fixen ideen lache nur lache
mutter du musst es wirklich verstehen dass die gera-
den sich nie treffen sich nie treffen die
geraden auf dem gehstreig fand ich morgens um sechs
einen strumpf büstenhalter zerfetzte unterhosen im pup-
pentheater könnten sie noch gebraucht werden vor dem spiegel
stand ich lache nur lache ich spielte für minc selbst
ich schlich mich davon beten müsste man für jemanden was ist
mit dir Allen
Elegie am Nachmittag
die geschichte beschleunigt in dieser
zwischenzeit obwohl die minute wie ein
gleichmütiger krebs doch die arbeit schreitet voran
schreitet voran ich bennante dies und das bitte schön
das ist kein spaziergang was zum teufel jeder-
mann zahlt mit wechselgeld mein geliebter wie
blau ist das schönste blau morgen
werd ich zum gynakologen müssen
es gibt nichts schlimmeres als nicht zu wis-
sen wann ist genug milch obst
was auch immer gut hat es der nicht aus der
tür tritt und die welt erkennt nicht
aus dem fenster blickt und den himmelsweg
erkennt je weiter er geht um so
weniger kennt er dachte laotse gut
hat es der nicht handelt sondern aus-
führt der siebner fahrt ab in dieser
zwischenzeit stossen wir einander herum tritzdem
liebe ich jene die nur im eintschwinden leben kön-
nen weil sie vorübergehende sind las
ingendwann irgendwo irgendjemand
Lied für meine Grossmutter
I
Ich sitz auf dem Hocker im Sommer vierundvierzig,
betrachte meinen Opa, den Schuhmacher, mit deinen Augen.
Verschwunden mit deinen Erinnerungen, ohme deine Bücher,
seltsam jetzt an dich zu denken,
ich kannte dich nicht.
In der Tate Gallery sah ich Trophaen von Seelen.
Lass mich von der Verlassanheit erzählen,
davon, dass jedes Muzeum nach Friedhof riecht.
Blass rannte ich durch die Säle,
sah die Graber meiner Lieben von Unkraut überwuchert.
Jeder Unsterbliche singt von Tod.
Reisst Sätze aus der Erinnerung,
um sie in Versen prunken zu lassen.
In den Bibliotheken Milliard von Stilleben.
II
Vorgestern War ich im Spital .
Aus rauchfarbenen Wolken blicktest du auf mich nieder.
Im bläulichen Licht blinke des dickbäuchigen
Doktors Brille.
Drehen Sie sich nach links!
Vom weissen Brei wurde mir übel
und ich dachte, es muss traurig sein,
in mich zu schauen.
Ihr macht einen Höllenlärm da drin:
Geschirr, Bettzeug, Kleider schleppt ihr,
an eurem Haus wird gebaut, um es niederzubrennen,
ihr kommt auf die Welt und weint, kommt auf die Welt und weint.
O, der natürliche Tod hat sich von dir abgewandt,
übertölpelt wie ein betrogener Liebhaber.
Berührte dein dichters schwarzes Haar mit der Hand nicht,
berührte deine sinnlichen Lippen mit dem Mund nicht,
streichelte nicht deine perlende Stirn.
Dein Grab wölbt sich unter grauen Wolken, am Himmel
von Europa, Asien, Amerika und Ozeanien.
III
Ich denke dich mir auf Blaha Lujza-Platz,
wo die Sonne auf schlurfenden, geschwollenen Beinen glitzert,
auf Runzeln von Wintermänteln und aschfarbenen Gesichtern,
auf Löchern gestrickter Handschuhe, auf Überschriften
schmutziger Kunststofftragtaschen MALÉV, SKÁLA.
Wohin wohl die Alten gehen?
Hinter ihnen Sümpfe und Pyramiden.
Immerzu ausrutschend auf dem glitschigen Gehteig schleppen
sie sich Richtung U-Bahn, um in der Unterführung
Gottes säuerlichen Atem in sich aufzunehmen.
Siehts du,
nach dir such ich unter ihnen.
Und doch fliegst du jugendlich durch da All
in meiner erinnerungslosen Phantasie.
Leuchtend in meinen Gedichten für immer,
du ruhloser gelber Stern.
Fõoldal * Deutsch
|
|